Neurofilament Light Chain als Prädiktor für Krankheits-Aktivität

Multinationale Studie bestätigt Serum Neurofilament Light Chain als Prädiktor für Krankheits-Aktivität bei Multipler Sklerose

Für eine bestmögliche Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) ist es von Bedeutung, früh eine Aussage über den weiteren Krankheitsverlauf treffen zu können. Ein gewünschtes Hilfsmittel dabei sind Biomarker, die man idealerweise aus dem peripheren Blut bestimmen kann.

Serum Neurofilament Light Chain (sNfL) ist ein Marker für neuronalen Schaden und korreliert in einer großen multinationalen Studie, die unter Beteiligung von Mitgliedern des KKNMS und des DMSG-Bundesverbandes durchgeführt wurde, mit der prognostischen Krankheitsaktivität. Die DMS-Stiftung fördert seit 2018 auch die multizentrische Studie EmBioPro-MS unter der Leitung von Prof. Dr. med. Hayrettin Tumani mit Beteiligung des MS-Registers der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft. Dieses Projekt beschäftigt sich ebenfalls mit NFL, legt den Fokus aber auf die schwerer verlaufende MS (PMS). Ziel ist, Blutmerkmale nachzuweisen, mit denen die Progression der Erkrankung vorhergesagt werden kann.

Multinationale Studie mit Hilfe einer großen Referenzdatenbank

Serum Neurofilament Light Chain (sNfL) ist ein Biomarker für Schäden an Nervenzellen, der zunächst in den Liquor und dann ins Blut abgegeben wird. Er kann zur Überwachung der Krankheitsaktivität und des Ansprechens auf Medikamente sowie zur Prognose des Krankheitsverlaufs in Gruppenanalysen von PatientInnen mit Multipler Sklerose behilflich sein.

Die Analyse auf Gruppenebene bedeutet, dass z.B. in klinischen Studien, in denen zwei Medikamente zur Behandlung der MS verglichen werden, der sNfL-Spiegel sich zwischen den zwei Gruppen unterscheidet, sofern die verglichenen Medikamente eine unterschiedliche Wirksamkeit haben.

Für eine Prädiktion auf individueller Ebene von PatientInnen müssen allerdings weitere physiologische Faktoren berücksichtigt werden, die den sNfL beeinflussen, wie Alter, Body Mass Index (BMI) und eventuelle Begleiterkrankungen.

In einer in The Lancet Neurology veröffentlichten Studie [1], haben Benkert und Kollegen Analysen in mehreren großen Kohorten gesunder und an MS erkrankter Personen durchgeführt, um eine Methode für die Anwendbarkeit von sNfL als individuellen Biomarker zur Identifizierung von Personen mit einem Risiko für zukünftige Krankheitsaktivität zu entwickeln. Mit Hilfe einer großen Referenzdatenbank gesunder Personen (normative Datenbasis) wurden dabei sNfL Referenzwerte abgeleitet und für physiologische Faktoren korrigiert.

Ein Ziel der Studie war es, statistische Kenngrößen (Perzentile und Z-Scores) für sNfL aus dieser Referenzdatenbank abzuleiten, welche den Grad des sNfL-Anstiegs bei Nicht-MS-Erkrankten alters- und BMI-korrigiert angibt. Ein wesentlicher Teil dieser Referenzkohorte war die an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster durchgeführte BiDirect-Studie.

In zwei unabhängigen Kohorten von Personen mit Multipler Sklerose wurde getestet, ob diese angepassten sNfL-Referenzwerte das Risiko für eine künftige Krankheitsaktivität vorhersagen, sowohl auf Gruppenebene als auch auf Ebene von Einzelpersonen. Ebenfalls untersuchten die Autoren, ob die Kenngrößen für sNfL zur Quantifizierung und zum Vergleich der langfristigen Wirksamkeit krankheitsmodifizierender Therapien verwendet werden können.

Die Studie konnte zeigen, dass die Bestimmung des „normierten“ sNFL die Identifizierung einzelner Personen mit Multipler Sklerose, bei denen ein Risiko für weitere Krankheitsaktivität besteht, ermöglichen kann. Insbesondere die longitudinale sNfL-Bestimmung unter Therapie kann auch als ein Baustein zur Evaluation des Therapieansprechens genutzt werden. Darüber hinaus könnte sNfL in Zukunft auch als Studien-Endpunkt für den Vergleich der Wirksamkeit verschiedener Arzneimittelklassen verwendet werden.

Die Studie erweitert damit die weltweiten Aktivitäten zur Etablierung von „Biomarkern“ für die prognostische Nutzung und therapeutische Entscheidungsfindung im individuellen Management der Behandlung von MS-Erkrankten. „Vor der Anwendung solcher Marker bei PatientInnen in der klinischen Routine ist die hier erfolgte Untersuchung an gesunden Personen und großen Patientengruppen essentiell, um in der Zukunft einen solchen Biomarker gezielt anwenden zu können“, sagt PD Dr. Anke Salmen vom Universitätsspital Bern, Mitautorin der Studie und Mitglied des KKNMS.

Das KKNMS ist hierzu bereits mit einer Analyse aus der NationMS1 Kohorte aktiv [2]. „Patientendaten zum sNfL erhöhen die diagnostische Genauigkeit, zeigen einen Zusammenhang mit der Prognose des Krankheitsverlaufs und können, bei Datenerfassung über einen längeren Zeitraum, therapeutische Entscheidungen erleichtern“, erläutert Prof. Dr. med. Frauke Zipp, Stellvertretender Vorstand des KKNMS und Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes.

Quellen

[1] Pascal Benkert, Stephanie Meier, Sabine Schaedelin, Ali Manouchehrinia, Özgür Yaldizli, Aleksandra Maceski, Johanna Oechtering, Lutz Achtnichts, David Conen, Tobias Derfuss, Patrice H Lalive, Christian Mueller, Stefanie Müller, Yvonne Naegelin, Jorge R Oksenberg, Caroline Pot, Anke Salmen, Eline Willemse, Ingrid Kockum, Kaj Blennow, Henrik Zetterberg, Claudio Gobbi, Ludwig Kappos, Heinz Wiendl, Klaus Berger, Maria Pia Sormani, Cristina Granziera, Fredrik Piehl, David Leppert, Jens Kuhle, Stefanie Aeschbacher, Muhamed Barakovic, Andreas Buser, Andrew Chan, Giulio Disanto, Marcus D’Souza, Renaud Du Pasquier, Oliver Findling, Riccardo Galbusera, Kevin Hrusovsky, Michael Khalil, Johannes Lorscheider, Amandine Mathias, Annette Orleth, Ernst-Wilhelm Radue, Reza Rahmanzadeh, Tim Sinnecker, Suvitha Subramaniam, Jochen Vehoff, Sven Wellmann, Jens Wuerfel, Chiara Zecca. Serum neurofilament light chain for individual prognostication of disease activity in people with multiple sclerosis: a retrospective modelling and validation study.

The Lancet Neurology 2022, Volume 21, Issue 3:246-257. doi.org/10.1016/S1474-4422(22)00009-6.

[2] Bittner S, Steffen F, Uphaus T, Muthuraman M, Fleischer V, Salmen A, Luessi F, Berthele A, Klotz L, Meuth SG, Bayas A, Paul F, Hartung HP, Linker R, Heesen C, Stangel M, Wildemann B, Then Bergh F, Tackenberg B, Kuempfel T, Weber F, Zettl UK, Ziemann U, Tumani H, Groppa S, Mühlau M, Lukas C, Hemmer B, Wiendl H, Gold R, Zipp F; KKNMS consortium. Clinical implications of serum neurofilament in newly diagnosed MS patients: A longitudinal multicentre cohort study. EBioMedicine. 2020 Jun;56:102807. DOI: 10.1016/j.ebiom.2020.102807

Quelle: PM von KKNMS und DMSG-Bundesverband – 23.02.22

Redaktion: DMSG, Bundesverband e.V. – 23.02.2022

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