Die aktuelle Heilmittel-Richtlinie

Die aktuelle Heilmittel-Richtlinie

05. Juli 2021

Der Gemeinsame Bundesausschuss(G-BA) hat Änderungen zur Heilmittel-Richtlinie und zum Heilmittelkatalog beschlossen. Die Änderungen sollen die Heilmittelversorgung für alle Beteiligten – Ärzte, Heilmitteltherapeut und Patient – vereinfachen und zu mehr Versorgungssicherheit und -klarheit führen. „together“ gibt einen Überblick, was sich für MS-Betroffene geändert.

In der Behandlung der Multiplen Sklerose sind Heilmittel als ergänzende Maßnahmen wie z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie nicht mehr wegzudenken. Heilmittel haben das Ziel, die Behandlung einer Erkrankung zu unterstützen, die Verschlimmerung zu verhindern und Beschwerden zu lindern. Gesetzlich Krankenversicherte haben einen Anspruch auf die Versorgung durch Heilmittel. In den Heilmittel-Richtlinien und dem dazugehörigen Heilmittelkatalog regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, welche Leistungen konkret zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. 

Was hat sich geändert?

Zum 01.01.2021 wurde eine neue Verordnungssystematik eingeführt, der sogenannte Verordnungsfall mit einer orientierenden Verordnungsmenge. Die bisherige Unterteilung in Erst- und Folgeverordnung sowie die Verordnung außerhalb des Regelfalles gibt es nicht mehr. 

Der Verordnungsfall ist immer auf den verordnenden Arzt und seinen Patienten mit einer bestimmten Diagnose, wie z.B. Multiple Sklerose, bezogen. Er umfasst alle Heilmittel, die

  • von demselben Arzt,
  • für denselben Patienten,
  • mit derselben Diagnose
  • zur Behandlung dieser Erkrankung

verordnet werden sollen. 

Verordnungsmengen anderer Ärzte müssen nicht mehr berücksichtigt werden. Patienten haben jedoch eine Mitwirkungspflicht und müssen den Arzt über bereits verordnete Heilmittel informieren, wenn sie danach gefragt werden. Der Verordnungsfall dauert solange, bis die Behandlung der behandlungsbedürftigen Erkrankung abgeschlossen ist. Erst wenn 6 Monate keine Verordnungen mehr erfolgt sind, beginnt ein neuer Verordnungsfall.

Hat ein Patient zur gleichen Zeit mehrere Erkrankungen, kann es zeitgleich mehrere Verordnungsfälle geben. Ein neuer Verordnungsfall entsteht auch, wenn ein Patient in eine neue Praxis wechselt. Seit 1.1.2021 kann Ergotherapie bei bestimmten psychischen Erkrankungen auch durch Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten verordnet werden. 

Für jede Diagnosegruppe im Heilmittelkatalog (z.B. Diagnosegruppe „ZN“ bei Physiotherapie/Erkrankungen des Nervensystems) ist jedoch weiterhin eine orientierende Verordnungsmenge angegeben. In Ausnahmefällen und bei medizinischer Notwendigkeit darf der Arzt aber auch künftig mehr Behandlungseinheiten verordnen. Die Angaben im Hilfsmittelkatalog gelten als Orientierung, der Arzt kann weniger aber auch mehr verordnen.

In der Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie sind die Diagnosen aufgelistet, bei denen ein langfristiger Heilmittelbedarf bundesweit anerkannt ist. Bei den hier gelisteten
Diagnosen wird davon ausgegangen, dass ein Therapiebedarf von mindestens einem Jahr besteht. Eine Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs ist bei den
dort gelisteten Erkrankungen grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Außerdem können die notwendigen Heilmittel je Verordnung für eine Dauer von bis zu zwölf Wochen verordnet werden. Danach muss eine erneute ärztliche Untersuchung erfolgen, um den Therapiefortschritt zu bewerten und gegebenenfalls weitere Therapien zu veranlassen. Entsprechende Verordnungen belasten nicht das Praxisbudget des Arztes. 

Darüber hinaus haben die Kassenärztliche Vereinigung und der GKVSpitzenverband eine gesonderte Diagnoseliste, die Liste der „besonderen Verordnungsbedarfe“ (früher „Praxisbesonderheiten“) vorgelegt. Bei den hier gelisteten Diagnosen wird ebenfalls anerkannt, dass bei Menschen mit anderen schweren Erkrankungen von einem besonderen Verordnungsbedarf auszugehen ist. Die Multiple Sklerose mit ihren unterschiedlichen Erkrankungsformen ist hier weiterhin gelistet. Der Arzt kann seit 01.01.2021 auch bei diesen Erkrankungen notwendige Heilmittel je Verordnung für eine Dauer von bis zu zwölf Wochen ohne vorherige Genehmigung und unter Beachtung der orientierenden Behandlungsmenge verordnen. Diese Liste ist nicht Bestandteil der Heilmittel-Richtlinie, sondern Anlage der Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen KassenärztlicherBundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband. Entsprechende Verordnungen werden jedoch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beim Arzt nicht beachtet und belasten somit ebenfalls nicht das Budget des Arztes. 

Für alle Heilmittelverordnungen verwendet der Arzt zukünftig ein einheitliches Verordnungsformular (Formular 13). Das Formular ist übersichtlicher gestaltet, die Arztpraxen sollen dadurch entlastet werden. Soweit dies im Heilmittelkatalog vorgesehen ist, können bei der Physio- und Ergotherapie künftig bis zu drei vorrangige sowie ein ergänzendes Heilmittel gleichzeitig auf einem Rezept verordnet werden (z.B. 3 x Manuelle Therapie, 3 x Krankengymnastik, 6 x Heißluft). Weiterhin kann in medizinisch begründeten Ausnahmefällen ein vorrangiges Heilmittel Nauch als zusammenhängende Behandlung (Doppelbehandlung) verordnet und erbracht werden. Dies muss jedoch zwingend vom Arzt als ergänzende Angabe zum Heilmittel auf dem Verordnungsformular eingetragen werden und erhöht die zulässige Höchstmenge an Behandlungseinheiten je Verordnung nicht. Heilmittel können als Einzel- oder Gruppentherapie verordnet werden. Zeigt sich im Verlauf einer Behandlungsserie, dass Einzeltherapie nichtmehr zwingend medizinisch geboten ist, können seit 01.01.2021 einzelne Behandlungseinheiten auch in Form von Gruppentherapien durchgeführt werden. Dafür müssen Heilmitteltherapeuten die Zustimmung des Versicherten einholen und das Einvernehmen mit dem verordnenden Art oder Psychotherapeuten herstellen. 

Der Arzt macht auf der Verordnung auch Angaben zur Leitsymptomatik, z.B. Schädigung/Störung der Bewegungs- und Sinnesfunktion oder Schädigung/Störung der Muskelfunktion etc. Es können bis zu drei Leitsymptomatiken nach dem Heilmittelkatalog angegeben werden. Zusätzlich hat der Arzt nun die Möglichkeit, eine oder auch mehrere patientenindividuelle Leitsymptomatiken anzugeben.

Die Angaben der Therapiefrequenz auf der Verordnung (z.B. 2 x pro Woche) sind für den Therapeuten bindend. Auf der Verordnung kann nun jedoch auch eine Frequenzspanne, z.B. 1-3 x wöchentlich, vom Arzt angegeben werden. Durch die Angabe einer Frequenzspanne können die Behandlungstermine nach Bedarf flexibler zwischen Patient und Heilmittelerbringer vereinbart werden.

In der Anlage 3 zur Heilmittelverordnung wurde nun festgelegt, in welchen Fällen eine unvollständig/fehlerhaft ausgefüllte Verordnung geändert werden kann. Nicht in jedem Fall muss dies künftig durch die Unterschrift des verordnenden Arztes erfolgen.

Längere Frist für Therapiebeginn:

Seit 01.01.2021 haben Patienten nun 28 Tage Zeit, mit der Heilmittelbehandlung zu beginnen, ohne dass die Verordnung ungültig wird. Der Arzt kann diesen Zeitraum jedoch aus medizinischen Gründen auf 14 Tage verkürzen, muss diesen dringenden Behandlungsbedarf dann aber entsprechend auf der Verordnung vermerken. Wird die begonnene Behandlung länger als 14 Tage unterbrochen, verliert die Verordnung grundsätzlich ihre Gültigkeit. Ausnahmen sind: Krankheit/Urlaub des Patienten/Therapeuten sowie therapeutisch angezeigte Behandlungsunterbrechungen, die mit dem Patienten abgestimmt sind. Die entsprechende Begründung der Behandlungsunterbrechung ist vom Therapeuten auf der Verordnung zu dokumentieren. Weiterhin erfolgt die Heilmittelbehandlung in der Regel in einer zugelassenen Heilmittelpraxis. Wenn Versicherte aus medizinischen Gründen nicht die Heilmittelpraxis aufsuchen können, weil sie zum Beispiel nicht mobil sind, können wie bisher Hausbesuche verordnet werden. Bereits seit Juli 2020 können Ärzte nun auch für Patienten mit krankhaften Schädigungen am Fuß als Folge einer sensiblen oder sensomotorischen Neuropathie oder als Folge eines Querschnittsyndroms eine Podologie (medizinische Fußpflege) verordnen.

Entsprechende Erkrankungen können aufgrund von Gefühls- und Durchblutungsstörungen krankhafte Schädigungen der Zehennägel und der Haut an den Füßen hervorrufen. Bislang war eine entsprechende Verordnung nur beim diabetischen Fußsyndrom möglich.

Voraussichtlich können Ärzte ab dem 2. Quartal 2021 bei bestimmten Indikationen für Heilmittel eine sogenannte Blankoverordnung ausstellen. Dann trifft nicht mehr der Arzt, sondern der Heilmitteltherapeut die Auswahl der Heilmittel, bestimmt die Therapiefrequenz und die Anzahl der Behandlungseinheiten. Die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit von Blankoverordnungen liegt dann auf der Seite der Therapeuten. Welche Indikationen für Heilmittel auf dieser Basis verordnet werden können, wurde noch nicht abschließend festgelegt.

Fragen? Das Beratungsteam der AMSEL hilft gerne weiter!

Tel. 0711 697860
E-Mail:beratungsteamamselde

Redaktion: AMSEL e.V., 05.07.2021

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