Grundlagenforschung: Neuer Ansatzpunkt für MS-Therapie

Grundlagenforschung: Neuer Ansatzpunkt für MS-Therapie

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern aus Mainz untersuchte die Rolle eine Gruppe von Antigen-präsentierenden Zellen bei Multipler Sklerose. Die Ergebnisse zeigen neue Ansatzpunkte für die MS-Therapie auf.

T-Zellen

Pro-inflammatorische T-Zellen im zentralen Nervensystem (ZNS) stehen in einem kausalen Zusammenhang mit demyelinisierenden und neurodegenerativen Erkrankungen. Die zugrunde liegenden Signalwege sind bislang aber wenig erforscht.

Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz untersuchten gemeinsam mit Kollegen aus Berlin, New York und Paris eine bislang wenig erforschte Gruppe von lymphoiden Immunzellen, die sogenannten ILC3 (Innate Lymphoid Cells). Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Nature publiziert [1]. ILCs sind in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt und spielen eine wichtige Rolle in der Immunologie der Gewebe.

Wirkung der ILCs von Lokalisation im Körper abhängig

Die Forschenden untersuchten die ILC3-Zellen im Tiermodell der Multiplen Sklerose (MS), der Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE). ILCs kommen normalerweise nicht im ZNS vor, können aber bei entzündlichen Erkrankungen vom Blut ins ZNS gelangen.

„Unsere Arbeit erweitert das Wissen über die immer noch unzureichend erforschten ILC3-Zellen. Wir konnten zeigen, dass sich verschiedene Typen dieser Immunzellen an unterschiedlichen Stellen im Körper finden, die unter bestimmten Voraussetzungen eine schützende oder eine schädigende Wirkung haben können“, erläutert Professor Dr. Ari Waisman, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz [2].

Entzündungsfördernde Wirkung im ZNS bei Multipler Sklerose

Die Forscher konnten zeigen, dass die ILC3-Zellen im ZNS inflammatorische Prozesse förderten und verstärkten. Sie spielen eine Rolle als Antigen-präsentierende Zellen, welche die T-Zell-Antwort fördern.

„Eine entscheidende Erkenntnis für uns war, dass der entzündungsfördernde ILC3-Zelltyp erst im ZNS reifte. Diese ILC3-Zellen fungierten im Gehirn als sogenannte Antigen-präsentierende Zellen: Sie zeigten den T-Zellen, einer anderen Gruppe von Immunzellen, Teile des Myelinproteins. Dieses ist Hauptbestandteil der Isolierschicht um die Nervenfasern. Auf diese Weise regten sie die T-Zellen dazu an, gegen Myelinbestandteile gerichtete Entzündungsprozesse auszulösen. Die dadurch verursachten Nervenschäden führten im Tiermodell zu MS-ähnlichen Krankheitssymptomen“, erklärt Dr. Tommy Regen, Wissenschaftler am Institut für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz und einer der Studienautoren.

Der Nachweis der ILC3-Zellen gelang den Forschern nicht nur im Tiermodell. Sie untersuchten auch Blut- und Gewebeproben von MS-Patienten und konnten dort ebenfalls ILC3-Zellen nachweisen.

ILCs als Ansatzpunkt für die MS-Therapie

Neben dem Nachweis der ILC3-Zellen im ZNS untersuchten die Forscher direkt den möglichen therapeutischen Nutzen der gewonnenen Erkenntnisse. Dazu entzogen sie den ILC3-Zellen im Tiermodell ein bestimmtes Schlüsselprotein, das zur Antigenpräsentation notwendig ist. Als zweiter Ansatzpunkt erwies sich eine Veränderung der ILC3-Zellen, so dass sie der Aktivität der autoreaktiven T-Zellen entgegenwirkten.

„Wir haben gezeigt, dass die schützenden Eigenschaften von ILC3-Zellen im Darm therapeutisch nutzbar gemacht werden können. Mit Hilfe genetischer Veränderungen haben wir diese Zellen dazu gebracht, dauerhaft ein Myelin-Antigen zu präsentieren. Das führte letztlich zu einer immunologischen Toleranz des Körpers gegenüber diesem Antigen und verhinderte so eine EAE-Erkrankung“, erläutert Regen.

Erkenntnisse übertragbar auf Demenz und Parkinson

Die Ergebnisse der Studie zeigen ILC3-Zellen als eine Zellpopulation, welche essentiell für die T-Zell-abhängige Inflammation im ZNS ist. Weiterhin konnten die Forscher das mögliche therapeutische Potential ihrer Ergebnisse direkt untersuchen. Die Ergebnisse sind nicht nur bedeutsam für die Therapie der MS, sondern auch für andere chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankungen wie Demenz vom Alzheimer-Typ und Parkinson.Autor:Dr. Melanie Klingler (Medizinjournalistin)Stand:21.01.2022

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